Michael in Tibet zwischen Rutok und AliDass China die schwierigste Hürde auf der gesamten Ultratour II darstellen könnte, hatten wir befürchtet – schon bei der Tour 2007 gab es in der Provinz Xinjiang Probleme. Doch dieses Mal war es anders, gravierender, beängstigender: Erst verdächtigt die chinesische Polizei uns, die drei schwer bepackten Radler, der Spionage. Sie verbietet das Fotografieren, Zelten, Radeln, wir müssen uns ab sofort jeden Tag bei einer Polizeistation registrieren. Einer übersetzt, solche Verwarnungen und Auflagen würden zentral gespeichert, seien dann für jeden Polizisten in der gesamten Provinz über die Pass- und Visanummern abrufbar. Bei einem weiteren Vergehen, so die Drohung, müssen wir mit Haft rechnen.

Wir haben keine andere Wahl: Wir laden die Räder vorerst für die Augen der schwarzen Männer aufs Auto. Noch sind wir zuversichtlich, noch wollen wir am nächsten Tag zurückkehren und mit den Rädern eine andere Route versuchen. Aber keine 24 Stunden später folgt der nächste Zwischenfall. Ein Polizist fängt uns im Straßenlokal beim Essen ab: Ohne spezielles Permit dürfen wir uns in dieser Region nicht aufhalten, erklärt er, zwingt uns, auf schnellstem Weg 250 Kilometer zurück nach Yining durchzustarten, wo angeblich eine Polizeistation die nötigen Permits ausstellt. Dort heißt es, wir sollen noch einige Tage warten. Schließlich lässt man uns weder mit dem Rad noch mit dem Auto weiter. Wir werden in einen Nachtbus verfrachtet, die Räder und Taschen in einen Jeep, der mit großem Abstand von Yining über das Tian-Shan-Gebirge nach Korla fährt.

Als wäre das alles nicht schon frustrierend genug, entwickelt sich die beschränkte Aufenthaltsgenehmigung zum unlösbaren Problem. Wir hatten ein zweimonatiges Visum beantragt, aber von der chinesischen Botschaft in Deutschland nur 30 Tage bewilligt bekommen – mit dem Hinweis, dass sich das Visum an jeder Polizeistation in ganz China ohne Weiteres um 30 Tage verlängern lässt. Die Realität sieht anders aus: In Tibet gibt es keine einzige Stelle, die Visa verlängert, in Xinjiang genau eine in Ürümqi, das fast 2000 km von Yecheng (Ausgangspunkt des Xinjiang-Tibet-Highways) entfernt liegt. Dort erhält man keine 30, sondern je nach Laune des Diensthabenden nur 7 bis höchstens 15 Tage zusätzlich und das auch fühesten drei Tage vor Ablauf der bestehenden Aufenthaltsgenehmigung. Eine Krisensitzung folgt der nächsten. Wir suchen nach Lösungen. Doch jede unserer Ideen stellt sich als Sackgasse heraus. Durch die Eskapaden bei Yining haben wir bereits einige der wertvollen Tage, die uns in China bleiben, verloren. Letztlich entscheiden wir uns schweren Herzens, auch die Taklamakan-Wüste mit Auto statt mit Rad zu durchqueren, um zumindest die Strecke durch Tibet soweit wie möglich aus eigener Kraft zurücklegen zu können.

(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)